Über meinen Point of no return: wie ich von »Kopf über Herz« zu »Herz über Kopf« kam und danach nie wieder umkehren wollte.
Von Kopf über Herz zu Herz über Kopf
Heute möchte ich dir von meinem Aha-Erlebnis erzählen, meinem »Point of no return«, der mir meine selbstsabotierenden Programme und unglaublich negativen Gedankenmuster aufgezeigt hat. Ich war zuvor eher der Typ pessimistischer Grübler und merkte gar nicht, was für eine Macht meine Gedanken über mich hatten. Ich liebte Gewohnheiten und war sehr langsam mit Entscheidungen. Das kann wohlüberlegt und bodenständig wirken, bringt aber auch eine gewisse Zähigkeit mit sich, die im schlimmsten Fall die Tendenz hat, in Lethargie oder Prokrastination zu enden. So war es bei mir.
Anfang 2019 hatte ich mich aber in ein Abenteuer gestürzt: ich hatte für meine Verhältnisse unheimlich viel Geld in die Hand genommen und mich an einen Workshop zur Persönlichkeitsentwicklung angemeldet, von dem ich nicht mal wusste, worum es genau darin ging. So etwas kannte ich von mir gar nicht. Normalerweise wäge ich sehr genau ab, für was ich mein erarbeitetes Geld ausgebe. Aber irgendetwas in mir sagte: du musst du hin.
Da saß ich also drei Wochen später: nur auf eine Empfehlung einer mir unbekannten Frau hin und aus einem wagen Bauchgefühl heraus. Ich weiß noch, wie ich der ersten halben Stunde des Workshops dachte: »Wo bin ich denn hier gelandet?! Und warum? Ähh, bin ich im falschen Film?!« Ich war vollkommen lost, verstand kaum etwas und war anscheinend damit auch noch die Einzige. Mein Kopf rastete aus und schlug Alarm (mit Kopf meine ich übrigens den Verstand, also den vom Ego angetriebenen Teil in uns).
Gerade als meine Skepsis überhand nehmen wollte, kam dieser Point of no return – der Punkt, an dem man nicht mehr umdrehen kann. Mir wurde ganz klar: ich musste mich jetzt entscheiden. »Entweder du schaltest den Kritiker in deinem Kopf jetzt aus«, sagte ich mir selbst, »oder du hast so richtig schön viel Geld in den Sand gesetzt.«
Zugegeben, es klingt etwas plump, dass ich meine Entscheidung ausgerechnet aufgrund des Geldes getroffen habe – hallo Ego ;). Aber ich wusste, es war Zeit, meine Komfortzone zu verlassen. Und dann erlaube ich es mir selbst und schaltete den Kopf aus. Ein großer imaginärer Hebel, den ich einfach nach unten legte. Und schwupps, war ich drin.
Der Tag verlief seltsam anders, als jeder andere in meinem Leben. Unwirklich, lustig, wattiert, voller Wunder und Erkenntnisse. Mein Kopf lachte darüber, aber ich ließ ihn lachen.
Der Fokus war auf etwas anderes gerichtet: das Herz.
Emotionen und die wahren Gefühle
Das erste Mal seit vielen Jahren hatte ich einen Zugang zu meinem Herz und echten, authentischen Gefühlen und ich war vollkommen verblüfft darüber.
Zum Einen weil ich immer gedacht hatte, dass ich eigentlich besonders gut im Fühlen sei – schließlich war ich immer sehr emotional, habe alles zwischen den Zeilen wahrgenommen und meinem Schmerz dann freien Lauf gelassen (sprich: ich war nah am Wasser gebaut…) Und zum anderen, weil ich der festen Überzeugung war, dass das zuvor beschriebene wirklich meine echten Gefühle seien. Falsch gedacht (← da isser wieder, der Kopf).
Ich war von den Socken. Das alles, was ich früher »gefühlt« hatte, war nur Theater!
Alles nur selbstgemachtes Drama und oberflächliches Säbelrasseln. Nur Fassade, nur Überdeckung von alten Wunden!
Die wahren Gefühle dahinter waren leise, sehr tief und fühlten sich unfassbar echt an. Ich kam bei mir selbst an, konnte endlich genau hinfühlen. Trotz des Schmerzes war mein Herz still, ganz ruhig und ungewohnt neutral. Weil ich nichts überdeckte, mich von nichts ablenkte und nichts ändern wollte. Es fühle sich sehr heilsam an.
Und da hörte mein Kopf wirklich auf, zu lachen
Weil auch er verstand: Das ist die wahre Stärke des Herzens, seine echte, authentische Kompetenz. Und mein Kopf hatte diese Kompetenz meinem Herzen vor vielen Jahren einfach abgenommen, sie ihm abgeschrieben! Das Herz in die letzte Reihe gesetzt und sich diktatormäßig alles unter den Nagel gerissen, was er kontrollieren und lenken konnte. Weil der Kopf ja schließlich der Überzeugung war, alles besser zu wissen. Selbst in den Bereichen, für die er gar eigentlich gar nicht zuständig war.
Heraus kam ein miesepetriger, depressiver, häßlicher Nörgler, der an allem und jeden – besonders an mir selbst – etwas auszusetzen hatte… (allem außer ihm natürlich, denn er war ja der König und damit unfehlbar und unantastbar – heute lache ich über diese Idee meines Kopfes)
Da er der Herrscher über alles war, meinte mein Kopf auch, Gefühle kontrollieren zu können. Die Folge daraus waren dann diese lauten, überschwänglichen, vordergründigen Emotionen, die keine echten Gefühle waren, sondern nur laut polterten, Aufmerksamkeit auf sich zogen und in Selbstmitleid ertranken. Unecht, unauthentisch – Theater eben.
Denken ist also auch keine Lösung
Na, das hatte der Kopf bisher ja gut gelöst – nämlich gar nicht. Plötzlich wurde mir bewusst: jede Wunde wurde nur zugedeckt, übertüncht, heruntergeschluckt und im Unterbewusstsein begraben. Kein Wunder, dass dort dann lauter Unbearbeitetes liegen blieb. Ich hatte immer gedacht, ich würde sehr gut an meinen Schattenthemen arbeiten und keine Angst haben, auch die unangenehmen Seiten von mir anzuschauen.
Anschauen ging früher auch schon ganz gut, aber ich hatte immer Probleme mit dem Danach gehabt: »Ok, jetzt hab ich die Erkenntnis – aber was mach ich jetzt damit?!« Ich habe immer wieder gehört, dass man das Thema dann Bearbeiten, Loslassen, Lösen soll. Aber ich wusste einfach nicht wie.
Und genau das änderte sich durch mein Erlebnis. Nachdem ich meine echten Gefühle gespürt hatte und mit meinem Herz wieder verbunden war, lernte ich das Auflösen von Thema. Deswegen war es mein Point of no return. Ab da wusste ich, dass nur das Herz Gefühle wirklich verarbeiten kann.
Der Kopf kann es einfach nicht. Er denkt nur, er kann es. Ist aber in Wirklichkeit ein kleiner Wicht mit Hut. Er hat nicht die Mittel, nicht das Know-How. Alles, was er außerhalb seines Kompetenzbereichs versucht, ist zum Scheitern verurteilt. Weil dann eben diese unbearbeiteten, polternden Fake-Gefühle herauskommen, die alles überdecken.
Bäääm, eigentlich eine kleine, sehr leichte und klare Erkenntnis. Eigentlich total logisch (← Kopf), oder? Aber ich musste es eben an diesem Tag erfahren und fühlen (← Herz) um es zu verinnerlichen. Ich kann es nicht besser beschreiben, ich kann nur von meiner Überwältigung erzählen, als ich das selbst erfahren habe.
Ich entzog meinem Kopf an diesem Tag also die Hoheitsgewalt. Er bekam dafür feierlich seine ursprünglichen Kompetenzen wieder zugesprochen: er darf analysieren, abwägen, logisch prüfen und beratend zur Seite stehen, aber Entscheidungsgewalt bekommt er nicht mehr. Sein Veto darf er einlegen, aber nicht mehr diktatorisch entscheiden und alles andere unterdrücken.
Gleichzeitig übergab ich die Insignien der Macht meinem Herz. Zuerst regiert nun das Gefühl bei mir – und zwar das echte! Das ist sein Job (nicht nur im übertragenen, sondern auch im rein physischen Sinne – aber das ist ein anderer Beitrag).
Die Unterscheidung zwischen authentischen und Fake-Gefühlen musste ich danach erst mal üben. Und auch mich mit meinem Herz zu verbinden musste ich trainieren. Ich hatte es so lange nicht in dieser Tiefe getan, dass es mir schwer fiel, im Alltag den Zugang zu finden.
Jahrzehntelanges Verhalten umtrainieren
Es blieb nur üben, üben, üben. Es ist nämlich gar nicht so leicht, im Alltag die laute Stimme des Kopfes zu ignorieren und auf das ganz leise, ruhige, unaufgeregte Herz zu hören. Ich meine, schließlich versucht es der Kopf immer wieder, seine alte Machtposition zurückzuerobern. Natürlich, warum auch nicht? Schließlich war ich jahrzehntelang mit dieser Verhaltensweise durch mein Leben gegangen.
Es wäre vermessen zu sagen, dass ich von einem auf den anderen Tag ein anderer Mensch war. Aber es brauchte diesen Aha-Moment, der mir zeigte, wofür es sich lohnt, konsequent und ausdauernd an meiner Veränderung zu arbeiten.
Den Kopf zum Schweigen zu bringen, ist für mich nach wie vor eine der größten Herausforderungen meines Lebens. Weil ich jeden Tag dran bleiben muss. Weil ich jeden Tag, in jeder Situation, bei jedem Gedanken prüfen muss, ob dieser wirklich stimmt. Ob dieser Gedanke wahr ist? Ob er der Wahrheit meines Herzens entspricht. Aber die gute Nachricht ist:
Auch der Kopf ist ein Gewohnheitstier
Am Anfang war es unglaublich schwer und ich musste ihn sehr, sehr oft unterbrechen. Wohlgemerkt meine ich hier vor allem negative Gedankenprozesse, die unverhältnismäßig hart sind und selbstzerstörerisch wirken. Es geht mir nicht darum, meinem Kopf seine Kompetenzen (Logik, Analyse, Abwägung) abzusprechen. Aber je länger ich dran bin, umso mehr hat sich mein Kopf heute daran gewöhnt, mit meinem Herzen synchron Entscheidungen zu treffen und nicht mehr die alleinige Weltherrschaft an sich zu reißen, ;).
Ich wünsche auch dir so sehr, dass du dieses Gefühl, diese echte Herzenskraft, für dich selbst entdeckst und sie ausweitest. Ich wünsche dir, dass du diesen Aha-Moment erlebst, dass du durchschaust, was dein Kopf dir ständig für einen Mist erzählt. Dass du siehst, dass du nicht deine Gedanken bist. Dass du viel mehr bist. Dass du wundervoll bist.